»Wochenmärkte in der Krise« hieß es jüngst in vielen überregionalen Medien auch im Mantelteil dieser Zeitung. Einen gänzlich anderen Eindruck haben der Zeller Metzger Berthold Rühl und der Grebenhainer Bäcker Bernd Schell. Die Artwork und Weise der Märkte sowie deren Angebot müssten voneinander unterschieden werden.
Wenn es um Wochenmärkte geht, ist Berthold Rühl absoluter Fachmann. Vor 35 Jahren hat er den Erzeugermarkt an der Konstabler Wache in Frankfurt mitgegründet. Als Urgestein verkauft er auch heute noch seine Wurstwaren aus dem Vogelsberg in Frankfurt. Ähnliches gilt für das Backhaus Schell aus Bannerod. Bernd Schell gehört zwar nicht zu den Gründern, stieß aber nur ein Vierteljahr später hinzu. Beide sind sich einig, dass man schon alleine bei der Artwork der Märkte und der dort angebotenen Produkte stark unterscheiden müsse.
Hinzu komme, dass es während der Cornona-Zeit einen bislang unbekannten Run auf die Wochenmärkte gegeben habe. Eben weil die Leute im freien Einkaufen oder sich dort treffen wollten. »Während Corona lief es eigentlich schon zu intestine«, sagt Rühl. Momentan liege man mit den Umsätzen sogar etwas über dem Vor-Corona-Niveau. Daher könne von Krise überhaupt keine Rede sein. Allerdings sei der Erzeugermarkt auch nicht mit gewöhnlichen Wochenmärkten vergleichbar. Bei Umfragen sei herausgekommen, dass es sich um zweitbeliebtesten Markt im Land nach dem Viktualien-Markt in München handele. Außerdem sei es ein Treffpunkt für die Frankfurter, weil das Angebot über den normalen Einkauf hinausgehe. Der Erzeugermarkt sei in aller erster Linie ein Treffpunkt. Das beginne bereits morgens mit den Senioren an den Weinständen, ab mittags dann Familien mit Kindern, später kämen die Menschen aus den Büros nach Feierabend. »In Frankfurt haben wir sehr viele junge Besucher. Ein normaler Wochenmarkt vormittags wie in Alsfeld lockt zu dieser Zeit quick zwangsläufig überwiegend Senioren an«, sagt Rühl. Wenn Märkte aber zu Treffpunkten würden, funktioniere das Konzept weiterhin. Deshalb sei auch noch der recht junge Feierabendmarkt in Alsfeld äußerst beliebt. »Es muss ein Ort der Kommunikation sein.«
Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal sei das Angebot auf den Märkten. Ein reiner Händlermarkt konkurriere zwangsläufig mit den Discountern und das könne nicht funktionieren. »Wir können und wollen uns nicht mit Discountern vergleichen, sondern heben uns mit unseren selbst hergestellten Produkten ab«, sagt Bernd Schell. Über die vielen Jahre hinweg habe er sich eine große Stammkundschaft aufgebaut. »Das sind bestimmt 75 bis 80 Prozent. Man kennt und schätzt sich. Besser geht zwar immer, aber wir können uns über zurückgehende Kundschaft nicht beschweren«, berichtet er.
Selbst produzierte Produkte seien weiterhin gefragt, ergänzt Rühl. Die Verbraucher legten nach wie vor ein Augenmerk auf hochwertige lokale Produkte. »Mittlerweile haben wir bereits die dritte Era an Kunden«. so Rühl.
Herausforderungen sehen beide bei der Personalsuche und den Nachfolgegenerationen. Ein 15- bis 16 Stunden-Tag wolle eben niemand mehr machen. Glücklicherweise habe Rühl bislang aber immer genügend Private.
Schell meint, dass die Suche nach Verkäuferinnen immer schwieriger werde. Außerdem würden neue Marktbeschicker nicht mehr wie noch vor wenigen Jahren Schlange stehen. »Früher gab es eine Warteliste der Selbsterzeuger von 20 bis 30. Heute ist das in dem Umfang nicht mehr so«, berichtet Schell.
In Lauterbach erhält die Stadt gemischte Rückmeldungen von den Händlern auf dem Wochenmarkt. Diese seien aufgrund ihrer treuen Stammkundschaft teils sehr zufrieden, Andere hätten aber einen leichten Rückgang bei den Kundenzahlen festgestellt. »Dies ist aber ein generelles Drawback, auch auf anderen Wochenmärkten, da die Kosten inflationär gestiegen sind und die Leute nicht mehr so viel ausgegeben wollen. Sie legen weniger Wert auf Qualität und dafür ziehen sie es vor, preisgünstig im Supermarkt einzukaufen« sagt Saskia Kreit von der Stadt Lauterbach. Wie auch andernorts sei es immer schwieriger neue Händler für den Wochenmarkt zu finden. Die Stadt als Veranstalter sei stetig auf der Suche, um die Produktauswahl zu erweitern und den Wochenmarkt attraktiver zu gestalten. »So fehlt uns zum Beispiel dringend noch ein Händler mit Brot- und Backware«, informiert sie.
Auch in Lauterbach hätten die Händler während der Pandemie deutlich mehr Kunden gehabt und hätten den Wochenmarkt als Different zum Supermarkt entdeckt. Nun habe sich alles wieder auf das Vor-Corona-Niveau eingependelt. Ihr Fazit: »Generell sind wir und die Marktbeschicker zufrieden mit dem Wochenmarkt, da wir hier in Lauterbach eine gute Stammkundschaft haben. Über weitere Marktbeschicker würden wir uns freuen, um den Markt noch attraktiver zu gestalten.«
In Alsfeld läuft der Wochenmarkt so vor sich hin, sagt Wirtschaftsförderer Uwe Eifert. Es seien ausschließlich langjährige Beschicker, die den Marktplatz intestine ausfüllten. Beschwerden über ausbleibende Kunden seien noch nicht an ihn herangetragen worden, Allerdings drängten keine neuen Beschicker nach und die Verkaufsstände lebten vor allem von ihrer Stammkundschaft. Es liege in der Natur der Sache, dass zu den Öffnungszeiten am Vormittag quick ausschließlich Rentner dort einkauften. Ein klassischer Wochenmarkt sei eben nicht mit dem Feierabendmarkt vergleichbar. In Alsfeld liege am Abend aber der Schwerpunkt auf Verzehr und nicht auf dem Einkauf. Deshalb seien beide Märkte von ihrer Ausrichtung miteinander überhaupt nicht vergleichbar.
(cdc)